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Der Raum des Glücks

  • Vom 28. September 2025

Glück erscheint oft wie eine Fata Morgana. Wir kosten vom süßen Wasser der Oase – und schon zieht es uns weiter durch Wüstenland. Oasen sind flüchtig. Zu kurz, um wirklich anzukommen.

Eine alte Weisheit sagt: Nicht wir finden das Glück, sondern das Glück findet uns. Glück – wie auch Liebe – ist keine Trophäe, die wir jagen können. Es ist eine Erfahrung, die sich von innen einstellt, wenn wir aufhören zu rennen, wenn wir still werden, wenn wir leer werden.

Die moderne Psychologie erklärt Glück gern mit Chemie. Dopamin hier, Serotonin dort – als ließe sich das Geheimnis des Lebens auf Formeln reduzieren. Doch Glück lässt sich nicht messen.

Ich habe das am eigenen Leib erfahren. Als junges Mädchen war ich schwer krank. Magersucht, Klinikaufenthalte. In der Klinik erhielt ich zudem das Etikett hochbegabt. Mein Gehirnstoffwechsel funktionierte anders, meine Wahrnehmung waren scharf. Heute bin ich vollständig geheilt. Nicht nur symptomfrei – wirklich geheilt. Die Sensibilität, die mir damals Schmerz bereitete, ist heute meine größte Kraft. Ich habe vor allem gelernt: Wir sind mehr als Biochemie. Wir können über uns hinauswachsen.

Glück als Fähigkeit der Seele

Unser Gehirn ist formbar. Es verändert sich durch das, was wir erleben, entscheiden, tun. Die Materie folgt dem Geist – nicht umgekehrt. Wenn wir loslassen, wenn wir unsere Haltungen wandeln, wenn wir über Grenzen hinauswachsen, dann wächst nicht nur unser Inneres mit, sondern mit ihm auch unser Gehirn.

Glück ist dann nicht mehr flüchtig. Es wird zu einem Raum, den wir mit der Seele betreten. Nicht mit dem Verstand, sondern mit der Seele, mit dem Herzen. Manchmal müssen wir erst Unglück erfahren, um diesen Raum zu erkennen. Erst im Schmerz spüren wir, dass Glück nicht von außen kommt, sondern von innen. Dort entsteht Weite. Dort wächst das stille Einverständnis mit uns selbst und mit dem Leben.

Geerdetes Glück

Wir verwechseln Glück gern mit Ekstase, mit Schweben. Aber wahres Glück trägt uns im Alltag. Es wurzelt im Boden des Lebens. Es beginnt mit einem unbedingten Ja.

Dieses Ja schließt Unzufriedenheit nicht aus. Sie darf da sein, als Anstoß für Veränderung. Doch darunter liegt das Einverständnis: Ich bin Teil des Lebens und das Leben ist ein Teil von mir.

Aus diesem Einverständnis heraus handeln wir anders: liebevoller, klarer, kraftvoller, aber ohne Kampf. So wie wir unser Kind lieben und doch korrigieren, wenn es sich irrt. Wir tun es nicht gegen das Kind, sondern für es. Genauso können wir auf uns selbst und auf das Leben blicken. Mit einem Ja, das trägt – und zugleich korrigiert, was nicht stimmig ist.

Zugehörigkeit und Sinn

Glück zeigt sich, wenn wir fühlen, dass wir dazugehören: zur Familie, zu den Ahnenlinien, die weit zurückreichen. Zugleich zur Natur, deren Abbild wir sind, zur Schöpfung, der Ebenbild wir sind, zum großen Ganzen, das sich im Kleinen widerspiegelt. In diesem Eingebundensein erfahren wir nicht nur Sinn, sondern Glück. Nicht durch Leistung, nicht durch Anerkennung, sondern durch Sein.

Wir sind angekommen in dem weiten Raum des Glücks, dem Palast der Möglichkeiten.

Loslassen als Schlüssel

Glück ist also nicht das Sammeln schöner Erlebnisse. Es wächst aus Zustimmung. Zustimmung zu allem, was war, zu allem, was ist, auch zu den dunklen Erfahrungen.

Zustimmung heißt nicht, Unrecht gutzuheißen. Sie heißt, den Widerstand loszulassen. Die Waffen niederzulegen. Solange wir kämpfen, verlieren wir Kraft. Wenn wir zustimmen, bleiben wir bei uns.

Dann öffnet sich der Raum des Glücks, in dem die Zuversicht zu Hause ist, die Dinge zu verwandeln, und in dem sich die Lösungen zeigen, wie die Wandlung gelingen kann.

Dann steht das Glück plötzlich vor uns – wie eine schöne Frau oder ein schöner Mann. Und es fordert uns zum Tanz auf.

In dieser Leichtigkeit treffen wir andere Entscheidungen – für unser eigenes Leben und für das Miteinander. Wir begegnen den Herausforderungen unserer Zeit freier, klarer, schöpferischer.

Und das ist keine Romantik. Vielleicht ist das Leben genau so gemeint. Doch wir haben uns als Gesellschaft weit vom Raum des Glücks entfernt. Es ist Zeit, den Weg zurückzufinden.

Und wenn wir uns in diesen Raum des Glücks stellen, verändert sich unsere Lebensrealität. Dinge beginnen uns zuzufallen. Das Glück fällt uns zu. Und doch ist es kein Zufall. Es ist eine Leistung der Seele.

Bild: Malvestida (Unsplash)

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