Sind Sie noch auf Lob angewiesen?

  • Vom 19. März 2024

Gegen ein aufrichtiges Lob ist nichts zu sagen. Gerade im beruflichen Kontext habe ich es aber oft erlebt, dass hinter einem Lob eine Absicht steckt. Es werden dann Interessen verfolgt, die wichtiger sind als die Person, die gelobt wird.

Sind wir bedürftig, nehmen wir das Lob und fühlen uns verpflichtet, etwas zurückzugeben. Der Tanz um den Ausgleich beginnt, auch in der Hoffnung, weiteres Lob zu bekommen. Dabei könnten wir Dinge tun, die wir eigentlich nicht tun wollen, die vielleicht nicht gut für uns sind und die uns nicht voranbringen. Am Ende merken wir nicht oder erst spät, dass wir nicht gemeint sind. Das Lob war nur Mittel zum Zweck. Dann sind wir enttäuscht – von der Person, auf die wir reingefallen sind, und von uns selbst, weil wir die Falle nicht erkannt haben.

Dabei haben wir zwei wichtige Lebensregeln missachtet:

Alles, was wir tun, sollten wir für uns tun.

 „Nach allem, was ich für Dich getan habe!‘ Kennen Sie diesen Satz? Ob er von Eltern, Partnern oder Kollegen leise gedacht oder laut ausgesprochen wird: Am Ende gibt es zwei Verlierer – der eine, der enttäuscht hat, und der andere, der enttäuscht ist. Beziehung und Vertrauen haben Schaden genommen.

Wie können wir uns vor solchen Enttäuschungen schützen? Indem wir die Dinge für uns tun.

Ich kümmere mich liebevoll um meine Tochter, wenn sie krank ist. Ich begleite meinen Mann auf dem Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen. Ich gebe in meinem Beruf mein Bestes. Und ich tue all das für mich, weil es mich zufrieden macht – und ich mich an dem erfreue, was bei meiner Tochter, meinem Mann und meinen Klienten Gutes erwächst.

Im beruflichen Kontext sorge ich zudem für zweierlei: Ausgleich, indem ich für meine Dienste angemessen bezahlt werde, und Wertschätzung, indem ich darauf achte, dass Grenzen gewahrt werden, bei mir und meinem Gegenüber.

Wir müssen uns selbst um unsere Bedürftigkeit kümmern.

Kein anderer kann die emotionalen Lücken schließen, die durch unsere Biografie entstanden sind. Und kein Lob wird das Konto der schlechten Erfahrungen und Botschaften der Vergangenheit ausgleichen, die unseren Selbstwert haben ins Minus gehen lassen.

Und mal Hand aufs Herz: Ein Lob zeigt bei mir nur dann Wirkung, wenn es von mir von innen kommt, wenn ich mir also innerlich selbst auf die Schultern klopfe, weil ich etwas wahrlich gemeistert habe.

Selbstmeisterung ist auch der Weg, den ich meinen Klienten aufzeige. Lob gilt unseren Kindern, damit sie ihre Potenziale entdecken. Als Erwachsene meistern wir Situationen oder das Leben und wachsen daran. Dafür müssen wir das befrieden, was einst emotionale Löcher in uns gerissen hat, am besten mit professioneller Hilfe. Das bringt in Größe, Kraft und Selbstwert.

Sind wir in uns gereift, sind wir auf Lob nicht mehr angewiesen. Wir nehmen es gern, aber wir brauchen es nicht. Wir sagen Danke und machen weiter. Denn Lob verpflichtet zu nichts.

Bild: Sean Stratton (Unsplash)

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